Von Ronald-Peter Stöferle
2022 war für fast alle Vermögenswerte ein schwieriges Jahr. Allein Gold schlug sich wacker. Warum?
Steigende Zinsen sind eigentlich Gift für Gold. Denn wenn Anleger für US-Staatsanleihen 4 % Zinsen bekommen, wird das zinslose Gold tendenziell unattraktiver. Aber 2022 war vieles anders: Aktien und Anleihen mussten zweistellige Verluste verkraften; der Goldpreis dagegen blieb in US-Dollar konstant und wertete in den meisten Währungen sogar auf.
Das ist ein gutes Zeichen für Goldanleger. Es gab allerdings auch mehrere Gründe für diese Stabilität: In inflationären Zeiten schneidet Gold traditionell überdurchschnittlich gut ab. Auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine drängte Anleger zum sicheren Hafen Gold. Zudem gab es 2022 ein Allzeithoch bei der Notenbanknachfrage nach Gold.
Getrieben wurde es von den Emerging Markets wie Indien und China, aber auch von Staaten aus Osteuropa wie Ungarn oder Polen. Die westlichen Finanzmarktteilnehmer standen dagegen noch an der Seitenlinie.
Wie sehen Sie die Aussichten für Gold in den nächsten Jahren?
In den 2010er-Jahren hat Gold deutlich schwächer abgeschnitten als Aktien, insbesondere schwächer als Technologiewerte. Ich gehe davon aus, dass das in den kommenden Jahren anders sein wird. Spätestens 2024 sollten die Leitzinsen weltweit gesenkt werden. Denn nach dem aggressivsten Zinserhöhungszyklus der vergangenen 40 Jahre wird das Thema „Rezession“ wichtiger als das Thema „Inflation“. Gerade in der ersten Phase einer Rezession schneidet Gold traditionell gut ab. Auf längere Sicht erwarte ich – aufgrund der exorbitant hohen Schuldenberge – eine anhaltende Phase negativer Realzinsen.
Für eine mittelfristig höhere Inflationsrate gibt es ein Bündel an Gründen: Die Ausgabenprogramme der Staaten sind üppig. Die Demografie in den Industrieländern stärkt die Position der Arbeitnehmer und birgt die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Gleichzeitig stehen wir aufgrund der Lehren der Corona-Krise und der politischen Spannungen vor einer Deglobalisierung. Und schließlich ist auch die Energiewende nicht umsonst zu haben. Inflation und negative Realzinsen beflügeln Gold.
Früher boten Goldaktien einen Hebel auf den Goldpreis. Warum ist das seit geraumer Zeit anders und könnte sich das zeitnah ändern?
Minenaktien hängen nicht allein von der Entwicklung des Goldpreises ab. Sie bergen auch ein allgemeines Aktienmarktrisiko und das hat sie 2022 belastet. Zudem hatten gerade die energieintensiven Minen zuletzt mit stark steigenden Kosten zu kämpfen: Energie, Arbeitskräfte und Kapital wurden deutlich teurer und die All-In-Kosten für die Förderung einer Unze Gold stiegen auf neue Höchstwerte. Das drückte die Margen. Vor allem kleine Unternehmen, aber auch die Big Player sind von ihren Höchstkursen deutlich entfernt.
Das dürfte sich auf mittlere Sicht ändern: Denn die Energiepreise sind wieder gesunken und im Herbst spricht historisch eine starke Saisonalität für Goldminenaktien. Zudem wird in den Goldminen auch Kupfer gefördert, das das wichtigste Metall für die Elektromobilität und die Energiewende ist. Ich erwarte, dass der Goldpreis in den kommenden zwölf Monaten sein Allzeithoch in Dollar übertreffen wird. Dann könnten die Goldminenaktien wiederentdeckt werden und überproportional profitieren.
Der Österreicher Ronald-Peter Stöferle gründete 2013 mit 4 Partnern die Fonds- und Vermögensverwaltungsgesellschaft Incrementum AG. Er studierte Betriebswirtschaft in Wien und den USA, arbeitete im Research der Erste Group und gilt als einer der weltweit wichtigsten Goldexperten. Seit 2007 veröffentlicht er jährlich den umfangreichen Branchenbericht „In Gold We Trust“.
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