Das erste Halbjahr 2023 ist vorüber – Zeit für eine Zwischenbilanz und einen Blick nach vorn. Wir bewegen uns noch immer durch eine Polykrise, also durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Belastungen, die langfristig zu einer schweren Rezession führen können.

Sowohl in den USA als auch in Europa haben die Notenbanken weitere Leitzinserhöhungen angekündigt, da die Inflation nur langsam sinkt. Das birgt Risiken: Obwohl die Märkte sich aktuell von außen widerstandsfähig zeigen, werden die Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik früher oder später voll durchschlagen.

Obwohl viele Wirtschaftsindikatoren frühzeitig auf eine bevorstehende Rezession hindeuteten, lässt der Abschwung sowohl in Europa als auch in den USA bislang auf sich warten. Nach dem schnellsten Zinserhöhungszyklus der Geschichte zeigen die Märkte noch immer eine außerordentliche Resilienz, die jedoch nur vorübergehend sein dürfte. Auf der einen Seite ist reichlich Liquidität vorhanden – unter anderem, weil viele Verbraucher und Unternehmen während der Pandemie ein finanzielles Polster aufgebaut haben. Auch die Arbeitsmärkte sind nach wie vor robust.

Auf der anderen Seite treffen die tatsächlichen Effekte der Notenbankpolitik die globale Wirtschaft erst mit Verzögerung, während sich die Kreditvergabestandards aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus bereits zunehmend verschärft haben. Gleichzeitig nimmt auch die Nachfrage nach Krediten kontinuierlich ab. Eine zyklische Rezession in Industrieländern bleibt daher möglich.

Ausblick auf einzelne Anlageklassen

Aktien 

Die Rally am US-Aktienmarkt wurde durch wenige große Technologie-Unternehmen getrieben. Hier drohen Konzentrationsrisiken, sollte der Hype um Künstliche Intelligenz abebben oder die US-Notenbank das Zinsniveau länger hochhalten. Die Volatilität an den Aktienmärkten ist gering – ein Hinweis, dass Rezessionsrisiken unterschätzt werden. In Europa reagieren die Bewertungen, insbesondere von zyklischen Werten, nur langsam auf das schlechtere makroökonomische Umfeld. Wir gehen davon aus, dass das globale Gewinnwachstum im Jahr 2023 leicht negativ sein, sich aber im nächsten Jahr wieder auf eine mittlere bis hohe einstellige Rate erholen wird.

Anleihen

Die Märkte für Investment-Grade-Anleihen haben eine Rezession relativ gut eingepreist, insbesondere in Europa. Doch bei Hochzinsanleihen ist dies aktuell noch nicht der Fall. Nach dem Ende der Verhandlungen über die US-Schuldenobergrenze werden wir ein hohes Emissionsvolumen bei Staatsanleihen erleben, gepaart mit einer quantitativen Straffung, da das US-Finanzministerium in den kommenden Monaten seine Geldreserven aufstocken wird. Dies könnte zur Abnahme der Dollar-Liquidität führen, da Marktteilnehmer ihr Kapital in Geldmarktfonds umschichten, um von diesen zusätzlichen Emissionen zu profitieren.

Private Markets 

Angesichts der derzeitigen Fragilität des wirtschaftlichen Umfelds sind planbare Renditen von Vorteil, und eben solche bietet die Anlageklasse der privaten Schuldtitel. Der Rückgang der Zinsdeckungsquoten dürfte zwar zu einem begrenzten Anstieg der Zahlungsausfälle führen – etwaige Schwächen sind aber eher unternehmensspezifischer als branchenübergreifender Natur. Nichtsdestotrotz ist eine umsichtige Kreditprüfung und hohe Selektivität bei der Kreditvergabe von großer Bedeutung.

Immobilien

Am europäischen Immobilienmarkt herrscht ein angespanntes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, das kurzfristig für Resilienz sorgt. Dieses Gleichgewicht könnte ins Wanken geraten, wenn die kommenden Zinsschritte höher als erwartet ausfallen, was sich sowohl auf den Investitions- als auch auf den Mietmarkt negativ auswirken dürfte. Im Vorjahr kam es bei Immobilien zu einem beispiellos hohen Preisabfall um 15 bis 25 Prozent. Kurzfristige Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die Werte nun stabilisieren, ein längerfristig höheres Zinsniveau könnte die Renditen jedoch weiter unter Druck setzen.

Fazit

Viele Analysten gehen davon aus, dass die Rezession in den nächsten zwölf Monaten in Europa und den USA kommen wird. Denn die geldpolitische Straffung wird nicht spurlos an den Märkten vorbeigehen, die Auswirkungen werden im weiteren Jahresverlauf an die Oberfläche treten. Anleger sollten ihre Portfolios in diesem Umfeld defensiv ausrichten.