So schnell kann es gehen: Saßen die deutschen Lebensversicherer 2021 noch auf stillen Reserven von 155 Milliarden Euro, schlummerten bereits Ende 2022 stille Lasten von etwa 110 Milliarden Euro in ihren Bilanzen. Warum das für die Branche zum Problem werden könnte, erklärt Rating-Spezialist Marco Metzler.

Viele Jahre fielen die Zinsen und fielen und fielen – bis sie sogar negativ wurden. Doch seit Anfang 2022 steigen sie wieder. Und zwar deutlich. Die US-amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) haben die Leitzinsen in den vergangenen Monaten mehrmals erhöht. Weitere Zinsschritte zur Eindämmung der hohen Inflation sind absehbar. Die Phase der Niedrig- und Negativzinsen ist Vergangenheit. Die ökonomischen Rahmenbedingungen haben sich damit für deutsche Lebensversicherer in kürzester Zeit fundamental geändert. Die steigenden Zinsen sind für sie Fluch und Segen zugleich.

Grundsätzlich profitieren Lebensversicherer – und damit auch ihre Versicherungsnehmer – von einem steigenden Zinsniveau. Doch sie können dadurch vorübergehend auch in Schwierigkeiten geraten: Durch die abrupte Zinswende haben sich hohe stille Reserven blitzschnell in beträchtliche stille Lasten verwandelt.

Und das ging so: Im Niedrigzinsumfeld stieg bei festverzinslichen Wertpapieren, die noch in der Hochzinsphase erworben wurden, der Marktwert weit über den Kaufwert. Noch Ende 2021 bestanden branchenweit stille Reserven von 155 Milliarden Euro. Bedingt durch die Zinswende der Zentralbanken weltweit sank jedoch der Kurswert niedrig verzinster Anleihen, die während der vergangenen zehn Jahre erworben wurden, massiv. Aus stillen Reserven wurden unterm Strich stille Lasten – die ersten Jahresabschlüsse aus dem Jahr 2022 zeigen das deutlich: Es wachsen Abschreibungen und stille Lasten der Versicherer in bisher ungekannte Höhen.

Insgesamt schätzt unsere Kurz-Studie die stillen Lasten der deutschen Lebensversicherungsbranche netto – also nach Abzug noch verbliebener stillen Reserven – auf 110 Milliarden Euro. Im Schnitt entspricht dies rund einem Zehntel des Bestands an Kapitalanlagen, die Versicherer für ihre Kunden halten. Und: Da die Zinsen seit Anfang 2023 weiter gestiegen sind und wohl noch weiter steigen werden, dürfte sich die Situation verschärfen. Bis Ende 2023 könnten die stillen Lasten laut unserer Schätzung netto auf rund 200 Milliarden Euro steigen. Dies entspräche dann im Schnitt rund 20 Prozent des Kapitalbestandes.

Wann Lebensversicherer plötzlich in einer misslichen Lage wären

Unsere Schätzung deckt sich mit Angaben, die Thomas Brahm, der Vorstandsvorsitzende der Debeka Lebensversicherung, kürzlich in einem Interview mit der „FAZ“ gemacht hat. Demnach betrugen die stillen Lasten Ende 2022 rund 14 Prozent der gesamten Kapitalanlagen der Debeka. Bei der Alten Leipziger Lebensversicherung sieht es noch dramatischer aus: Laut Jahresabschluss beliefen sich die Netto-Bewertungsreserven der Kapitalanlagen zum 31. Dezember 2022 auf minus 4,4 Milliarden Euro. Bei insgesamt 27,7 Milliarden Euro an Kapitalanlagen sind dies 15,9 Prozent oder das Vierfache des ausgewiesenen bilanziellen Eigenkapitals.

Die Gothaer Leben meldet bei 16,3 Milliarden Euro stille Lasten von 2,6 Milliarden Euro und somit die bisher höchste Quote von 16,3 Prozent bei einem HGB-Eigenkapital von 0,5 Milliarden Euro. Dabei verzeichnet die Gothaer Leben einen deutlichen Rückgang des institutionellen Einmalbeitragsgeschäft, dass im signifikanten Volumen betrieben wurde und bei weiter steigenden Zinsen zu Storno führen kann, bei dem im großen Volumen stille Lasten ergebniswirksam realisiert werden müssten.

Käme es in dieser Situation zu massenhaften Kündigungen von Policen, wären Debeka, Alte Leipziger, Gothaer Leben und viele andere Lebensversicherer plötzlich in einer misslichen Lage: Es entstünden Liquiditätsengpässe. Kapitalanlagen, die unter Kaufwert notieren, müssten mit hohen Verlusten verkauft werden und letztlich könnten womöglich nicht mehr alle Kundenforderungen bedient werden.

Angesichts der negativen Realverzinsung empfiehlt Metzler Ratings den Versicherungsnehmern klassischer Lebensversicherungen genau durchzurechnen, ob eine Fortführung der bisherigen Police überhaupt noch lohnt. Oder man diese nicht besser in eine fondsgebundene Lebensversicherung eintauscht, bei der in Sachwertfonds investiert wird, die dank ihrer Investitionsschwerpunkte auf Edelmetallen und Wohnimmobilien eine Verzinsung über der Inflationsrate erwirtschaften können. Besitzern von Fondspolicen ist zu raten, einmal zu überlegen, ebenfalls in Sachwertefonds umzuschichten.

Tipp: Mit der Liechtensteiner Private Wealth Police haben Sie genau diese Möglichkeiten.

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