Der Bankensektor in den USA kommt nicht zur Ruhe. Nach der Pleite von mehreren Regionalbanken warnen Experten nun vor Turbulenzen auf dem Immobilienmarkt. Auch hier spielen ausgerechnet die kleineren Banken eine Schlüsselrolle.

Die Rettung strauchelnder US-Regionalbanken ist noch nicht in trockenen Tüchern, da kündigt sich bereits neues Ungemach für das US-Finanzsystem an: Neben der Schieflage wegen sinkender Renditen bei Geschäften mit langfristigen Staatsanleihen gibt es laut einer Analyse auch ernstzunehmende Probleme mit gewerblichen Immobilienkrediten. Offenbar sind davon wieder vor allem die kleineren Geldinstitute in den USA betroffen. Konkreten Anlass zur Sorge geben Daten des renommierten Kobeissi Briefes, eines wöchentlichen Kapitalmarkt-Kommentars, der alarmierende Zahlen anführt. Laut der Analyse werden in den nächsten fünf Jahren mehr als 2,5 Billionen US-Dollar an gewerblichen Immobilienschulden fällig – so viel wie noch nie in einem Fünfjahreszeitraum.

Zum Problem wird das durch die Leitzinserhöhungen der Notenbanken: Die Zinssätze für Immobilienfinanzierungen hätten sich mehr als verdoppelt, schreiben die Autoren. Zudem seien die Gewerbeimmobilien nur noch zu 60 bis 70 Prozent belegt. „Die Refinanzierung dieser Kredite wird unglaublich teuer werden und wahrscheinlich zur nächsten großen Krise führen“, so ihre Schlussfolgerung. Das „Schlimmste“ daran sei, dass „70 Prozent der gewerblichen Immobilienkredite im Besitz kleinerer Banken sind“.

Laut dem Datenanbieter Trepp liegen die meisten Kredite für Gewerbeimmobilien bei Banken mit weniger als 250 Milliarden Dollar an Vermögenswerten. Fallen viele Kreditnehmer aus, dürfte es vor allem für diese kleineren Geldinstitute finanziell eng werden. Ein Szenario, das zumindest Erinnerungen an die Häuserkrise 2008 weckt, als in den USA die größte Immobilienblase, die es jemals gab, platzte und zuerst Amerika und dann die ganze Welt erschütterte. Weltweit mussten Institute mit Steuermilliarden gerettet werden. Eine Erfahrung, die Kritiker heute zu Recht fragen lässt, ob Regulierer und Banken nichts aus der Finanzkrise gelernt hätten.

Milliardär und Multiunternehmer Elon Musk, der die Leitzinserhöhungen bereits im Zusammenhang mit teureren Autokrediten kritisiert hatte, kommentierte den Hinweis von Kobeissi auf die Risiken bei Immobilienkrediten mit den Worten: „Dies ist bei weitem das schwerwiegendste drohende Problem“. Fallende Preise für gewerbliche Hypothekenanleihen seien ein wachsendes Problem für kleinere Banken, weil sie bereits unter der sinkenden Nachfrage nach Gewerbeimmobilien und der Flucht der Kunden mit ihren Einlagen leiden. Musk ergänzte seine Warnung dazu noch um den Hinweis, dass dieselben Risiken auch in Hypotheken für Wohnimmobilien schlummerten. Richtig ist: Die sind angesichts steigender Zinsen ebenfalls ausfallgefährdet.

Silicon Valley Bank war „nur ein Ausreißer“

Auch andere Branchenkenner schlagen wegen dieser Ballung von Risiken bei kleineren Banken Alarm. Die unabhängige Analystin Genevieve Roch-Decter wird in einem Kommentar besonders deutlich: Der kollabierte Silicon Valley Bank (SVB) sei „nur ein Ausreißer“ gewesen, schreibt sie bei Twitter. Es gäbe eine „viel größere Zeitbombe“ in Form der gewerblichen Immobilien-Darlehen (CRE-Exposures) in den Bankbilanzen. Die Kreditausfälle aufgrund höherer Kreditkosten könnten steigen und die Immobilienpreise wegen der schwächeren Nachfrage fallen. Die CRE-Portfolios der Banken würden dadurch an Wert verlieren und die Kreditgeber unter Druck setzen, frisches Kapital aufzunehmen, um ihre Finanzen zu stützen, beschrieb sie die Abwärtsspirale.

Der Ansturm auf die SVB hatte vor zwei Wochen die US-Regierung dazu veranlasst, die Kontrolle zu übernehmen und zu versichern, alles zu tun, um einen Kollaps des Systems zu verhindern. Alle Einlagen wurden garantiert, sogar die über 250.000 Dollar. Bis zu dieser Grenze waren sie zuvor durch den US-Einlagensicherungsfonds abgesichert. Die Finanzmärkte beruhigten sich zwischenzeitlich wieder.

Ob ein Flächenbrand im Bankensektor damit abgewendet werden kann, ist jedoch offen. Wie groß die Risiken eines anhaltenden Vertrauensverlustes sind, hatte jüngst eine gemeinsame Studie von Ökonomen verschiedener US-Universitäten gezeigt. Die Autoren kommen nach dem Zusammenbruch der SVB zu dem Ergebnis, dass noch weitere 186 Banken vom Konkurs bedroht sind, selbst wenn nur die Hälfte ihrer Kunden beschließen sollte, ihre Einlagen abzuheben.

Der aktuelle Marktwert der Aktiva des US-Bankensystems – also die den Einlagen und anderen Verbindlichkeiten gegenüberstehenden Vermögenswerte – sei um zwei Billionen Dollar niedriger als deren Buchwert, so die Rechnung der Autoren. „Die zu Marktwerten bewerteten Bankaktiva sind im Durchschnitt aller Banken um 10 Prozent gesunken.“ Die fünf Prozent der kleinsten Banken hätten sogar einen Rückgang von 20 Prozent zu verzeichnen.

Die US-Regionalbanken stehen mit ihren Kreditfinanzierungen bei Gewerbeimmobilien und ihrem Geschäftsmodell, in langfristige Staatsanleihen investiert zu haben, doppelt im Feuer. Der Wert der Aktiva der in Santa Clara ansässigen SVB sank, als die US-Notenbank Fed im Kampf gegen die hohe Inflation die Zinsen erhöhte. Hintergrund ist, dass die meisten Anleihen einen festen Zinssatz zahlen, der attraktiv ist, solange die Zinsen niedrig sind. Es treibt die Nachfrage und den Preis der Anleihe in die Höhe. Umgekehrt ist die niedrigere Festverzinsung einer Anleihe bei steigenden Leitzinsen für Anleger nicht mehr attraktiv.

Andere US-Regionalbanken sind ähnliche Wetten eingegangen. Der Vertrauensverlust und die Panik nach der Pleite der SVB mündete in einen Bank Run und damit einen Schwund der Einlagen. Bankkunden zogen aus vermeintlich risikoreichen Regionalbanken mit weniger diversifizierten Vermögenswerten im großen Stil ihr Geld ab und brachten es zu „too-big-to-fail“-Banken wie JPMorgan Chase und Bank of America, die über breitere Geschäftsmodelle verfügen und besser gerüstet sind, um mit Turbulenzen an den Finanzmärkten fertig zu werden. Inzwischen haben sich diese Geldtransfers beruhigt, meldet CNBC. Das bedeute aber nicht, dass der Bankensektor aus dem Gröbsten heraus sei. Eine weitere Krise könnte die Einlagen blitzschnell wieder in Bewegung bringen.

Quelle: ntv.de

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