Der steile Zinsanstieg beendet den Preisauftrieb von Wohnimmobilien. Jetzt sinken die Preise, gebremst vom knappen Angebot. Zudem würgen steigende Baukosten den Neubau ab.

Dabei steigt der Wohnungsbedarf durch ukrainische Kriegsflüchtlinge. Hier gibt Thorsten Lange von der DZ Bank einen Überblick über aktuelle Trends am Immobilienmarkt. Die günstigen Voraussetzungen für den Immobilienmarkt haben sich verflüchtigt und den 2010 eingesetzten Preisauftrieb beendet. Der Immobilienboom hatte seinen Zenit ohnehin erreicht, doch mit dem Ukraine-Krieg kam das Ende abrupt. Der Hauptgrund ist der steile Zinsanstieg als Folge der hohen Inflation. Dazu kommt der durch den Lieferstopp von russischem Öl und Gas forcierte

Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Dieser Umstieg steht mit Blick auf den Klimawandel ohnehin an, die aufwendige energetische Bestandssanierung und der Einbau neuer Heiztechnik wird nun aber noch schwieriger. Aber nicht nur das Finanzieren und Heizen, auch das Bauen von Wohnimmobilien ist spürbar teurer geworden. Zugleich müssen die angespannten Wohnungsmärkte eine rapide steigende Zuwanderung verkraften. Doch das ist nicht alles: Die auf ein hohes Niveau gestiegenen Immobilienpreise vergrößern das von Zinsanstieg und Rezession vergrößerte Korrekturrisiko zusätzlich.

Preisboom am Immobilienmarkt endete im zweiten Quartal 2022

Die rund 30 Jahre lang sinkenden Zinsen haben den Finanzierungsspielraum der Käufer bis 2021 erheblich vergrößert. Trotz kräftig steigender Hauspreise blieb die Einkommensbelastung eines Immobilienkredits weitgehend stabil. Dabei stiegen die Preise durchgängig schneller als die Mieten und trieben so die Marktbewertung auf ein enorm hohes Niveau. 2010 entsprach der Kaufpreis einer Bestandswohnung in den sieben größten deutschen Städten etwa 21 Jahresmieten, aktuell sind rund 35. Im Zuge der Zinswende schnellten die Zinszahlungen in die Höhe und schränken den Finanzierungsspielraum erheblich ein. Weil der Zinsanstieg von einem sehr niedrigen Niveau aus erfolgte und die Kredite, durch die seit 2010 verdoppelten Immobilienpreise viel höher ausfallen, packt der Zinshebel besonders kräftig zu.

Durch Flüchtlinge steigt Einwohnerzahl auf mehr als 84 Millionen

Mit dem ab 2017 wieder nachlassenden Einwohnerwachstum und den zugleich steigenden Fertigstellungszahlen war die Hoffnung einer sukzessiven Entspannung des Wohnungsmarkts verbunden. Doch tatsächlich – als weitere Folge des Ukraine- Kriegs – ist nun das Gegenteil der Fall. Nach zwei Jahren mit einer weitgehend stagnierenden Bevölkerung stieg die Einwohnerzahl 2022 vor allem durch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kräftig an. Zur Jahresmitte lebten etwas mehr als 84 Millionen Einwohner in Deutschland, gut eine Million mehr Menschen als noch im Juni 2021. Dazu kommt ein wieder stärkerer Zuzug aus weiteren Ländern, sodass eine Fortsetzung des Einwohnerwachstums wahrscheinlich ist. Zudem erfordert die Verschärfung vom Fachkräfte- zum allgemeinen Arbeitskräftemangel sowie die demografische Entwicklung immer dringlicher eine ausgeweitete Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte.

2023 sind sinkende Preise am Wohnungsmarkt wahrscheinlich

Mit aktuell 4 Prozent – und im kommenden Jahr womöglich noch etwas weiter anziehenden Hypothekenzinsen wird die Kaufnachfrage erheblich verringert und aller Voraussicht nach zu sinkenden Bewertungen am Wohnungsmarkt führen. Gebremst wird der Preisrückgang vom nach wie vor bestehenden Wunsch nach eigenen Immobilien, dem unverändert vorhandenen Anlagebedarf und dem knappen Neubauangebot. Im Bau befindliche Wohnungen sind meistens bereits verkauft, neue Projekte werden zurückgestellt. Auch verkaufswillige Eigentümer könnten den Verkauf vertagen, weil sie nicht zu Zugeständnissen bereit sind – zumal sich der Zeitraum angesichts des hohen Wohnraumbedarfs gut durch Vermietung überbrücken ließe.

Wir gehen davon aus, dass die Preise für Wohnimmobilien im vierten Quartal 2022 sowie im kommenden Jahr weiter zurückgehen. Nachdem sich die Preise 2021 noch um knapp über 10 Prozent verteuerten, geht der jahresdurchschnittliche Preisanstieg 2022 auf etwa 7 bis 7,5 Prozent zurück. 2023 dürften die Preise für Wohnimmobilien dagegen um 4 bis 6 Prozent sinken. Bei Wohneigentum dürfte der Rückgang etwas schwächer, bei Mehrfamilienhäusern etwas ausgeprägter ausfallen. Ab 2024 könnte sich der Preistrend stabilisieren, sofern es nicht zu einer anhaltenden Wirtschaftskrise kommt.

Für eigenkapitalstarke Käufer bietet das aktuelle Marktumfeld Chancen, weil die Verkäufer verhandlungsbereiter werden sollten. Eigenmittelschwache Kaufinteressenten müssen dagegen über ein hohes Einkommen verfügen, um nicht an den viel höheren Kreditraten zu scheitern. Für viele Familien dürfte das Eigenheim daher in weite Ferne rücken. Freibeträge für Erstkäufer bei der Grunderwerbsteuer könnten hier helfen. Der Schaden für die öffentlichen Kassen hielte sich sogar in Grenzen, weil ausbleibende Immobilienkäufe mangels Finanzierbarkeit ebenfalls geringere Einnahmen bei der Grunderwerbsteuer nach sich ziehen.

Wer schon eine Weile im Eigenheim lebt, ist meist fein raus.

Mit den Wertsteigerungen der zurückliegenden Jahre – oft im sechsstelligen Bereich – lassen sich moderate Preisrückgänge, etwas höhere Zinsen oder die Kosten für eine neue Heizung einigermaßen gelassen verschmerzen. Für Kaufwillige sieht es schlechter aus, weil sie ihr Immobilienprojekt entweder verkleinern, vertagen oder aufgeben müssen. Besonders ungünstig sind jedoch die Aussichten für die Suche nach einer Mietwohnung, vor allem, wenn sie günstig sein muss. Das Angebot wird knapper, die Mieten steigen weiter und die Heizkosten von älteren Bestandswohnungen sind oft erhöht. Die goldenen Zeiten am Immobilienmarkt sind vorüber, Wohnen wird für alle teurer. Zudem ist die Unsicherheit angesichts stark veränderter Immobilienmarktbedingungen und der Kumulation vieler Krisen hoch.

Wichtiger Hinweis: Bei dem verfassten Text handelt es sich um die Meinung des Autors. Er stellt weder eine Kauf- bzw. Verkaufsempfehlung oder eine Beratung dar. Beratungen können immer nur persönlich geschehen. Wenn Sie eine Beratung wünschen, nutzen Sie bitte eine der Kontaktmöglichkeiten.