Wieso steigende Zinsen zum Renditekiller werden könnten

Sparer sollten ihre Lebensversicherung jetzt auf den Prüfstand stellen. Denn kurz- und mittelfristig würden die jetzt wieder steigenden Zinsen zu einer „Belastung für die Versicherer“. Und das bekämen vor allem die Kunden jetzt schon zu spüren.

Lange Zeit hieß es von Seiten der deutschen Lebensversicherungsbranche, dass steigende Zinsen die Rettung für die, zugegebenermaßen sehr prekäre Lage der Gesellschaften hinsichtlich der Erwirtschaftung von Erträgen für ihre Kunden, wären. Nun haben wir sie, die Zinswende. Von vielen Ökonomen als zu lasch belächelt und von der US-Notenbank Federal Reserve deutlich konsequenter umgesetzt als von ihrem europäischen Pendant, führt Sie doch letztendlich dazu, dass langsam aber sicher wieder positive Zinssätze Einzug ins Bank- und Versicherungswesen erhalten.

Der Retter der deutschen Lebensversicherungsbranche ist nun also vor Ort und kann eingreifen. Doch der große Freudenschrei der Branche bleibt aus. Bei genauerem Hinsehen, kann auch nachvollzogen werden, wieso das so ist.

Sichere Anlagen mit geringem Risiko

Lassen Sie uns Revue passieren, was geschehen ist. Versicherungsgesellschaften sind hinsichtlich des Aufbaus ihres Kapitalstocks für klassische Lebensversicherungsverträge einigen gesetzlichen Regulatorien unterworfen. Viele Investmentmöglichkeiten werden ausgeschlossen, schließlich soll das Geld der Kunden in einer klassischen Leben- oder Rentenversicherung „sicher“ veranlagt werden. Wer auch nur den Hauch einer positiven Renditemöglichkeit haben möchte soll bitte anderweitig investieren.

Was sind sichere Investments mit möglichst geringem Zahlungsausfallrisiko?

Per Definition: Staatsanleihen! Bringen diese viel Rendite? Eher nicht! Und wenn man doch noch positive Rendite in den vergangenen zehn Jahren haben wollte, musste man zwangsweise Anleihen von vornehmlich süd- oder osteuropäischen Mitgliedsstaaten einkaufen. Dabei ging man ein relativ hohes Risiko ein, für vergleichsweise geringe Renditeerwartungen. Doch dann kamen Anfang des Jahres die ersten Zinsschritte und die Zinssätze, beispielweise einer zehnjährigen italienischen Staatsanleihe, stiegen um mehr als 300 Prozent. Das brachte natürlich Italien selbst in Bredouille. Denn die Belastungen allein für den Mehraufwand aus den Zinsrückzahlungen wären nicht finanzierbar. Diese Tatsache führte, trotz des Auslaufens der Anleihekäufe durch die EZB dazu, dass neue Regelwerke geschaffen wurden, die es weiterhin möglich machen Anleihetitel von
EU-Mitgliedstaaten zu erwerben, die sich am Rande der Zahlungsunfähigkeit bewegen. An anderer Stelle waren die großen Verlierer dieser steigenden Verzinsung von Staatsanleihen vor allem die Versicherer. Die Kurse „alter“ Anleihen rutschen ab. Wer interessiert sich schon für eine Italien-Anleihe mit 1,5 Prozent Verzinsung, wenn ich nun zu ähnlichem Risiko 4 Prozent Verzinsung haben kann?

Nachvollziehbar?

Wer jetzt denkt, dass die Abwertung der Anleihen in den Bilanzen der Versicherer folgerichtig nachvollziehbar sein müsste, hat weit gefehlt. Denn (Inter-)nationale Bilanzierungsrichtlinien, International Financial Reporting Standards (IFRS) und Handelsgesetzbuch (HGB) bieten die Möglichkeit von einer erfolgswirksamen Wertkorrektur abzusehen, wenn man von einer nur vorübergehenden Wertminderung ausgeht. Das ist aktuell noch der Fall, sodass die Bilanzen der Versicherer von dieser Entwicklung noch nicht belastet sind. Doch werden die Zahlen der nahen Zukunft das gesamte Ausmaß der Zinswende auf die klassischen Asset-Klassen der Versicherungsgesellschaften offenbaren.

Die Versicherer wappnen sich bereits

Auffällig ist, dass seit dem Frühjahr dieses Jahres viele Lebensversicherungskonzerne damit begonnen haben, die sogenannten Bewertungsreserven in den Versicherungsverträgen drastisch zu kürzen, teilweise sogar komplett wegfallen zu lassen. Bewertungsreserven sind dazu gedacht, Gewinne, die die Versicherungsgesellschaft durch die Nutzung des Kapitals des Kunden erwirtschaftet hat, zu einem gewissen Teil auch dem Versicherungsnehmer zugutekommen zu lassen.

Bewertungsreserven sind indes nicht garantiert und können seit Einführung des
Lebensversicherungsreformgesetztes II (LVRG II) im Jahre 2014 von der Versicherungsgesellschaft gekürzt werden, wenn die Auszahlung der Reserven aufgrund fehlender Liquidität in der Zukunft heute als nicht möglich erscheint und vielleicht sogar den Geschäftsbetrieb gefährdet. Dies lässt den Schluss zu, dass die Versicherungsgesellschaften schon ganz genau wissen, welches Ungemach bei einer dauerhaften Wertminderung auf die Bilanzen zukommt und derzeit schon fleißig Reserven aufgebaut werden.

Fazit

Viele Versicherungsnehmer haben in den vergangenen Wochen unbemerkt einen Teil Ihres
Vermögens verloren, weil sichergeglaubte Bewertungsreserven plötzlich weggefallen sind. Darin berücksichtigt sind noch nicht die Kaufkraftverluste, die Sparer aufgrund der ansteigenden Inflation hinnehmen mussten. An dieser und anderen Entwicklungen lässt sich festmachen, dass die Zeiten für die deutschen Lebensversicherungskonzerne, gerade bei klassischen Verträgen, weiter angespannt bleiben und im Zweifel immer der Versicherungsnehmer der Leidtragende ist.

Ob man von einer Kürzung betroffen ist, erfährt man am schnellsten, indem man eine aktuelle Wertmitteilung bei der Versicherungsgesellschaft anfordert und die darauf aufgeführten Bewertungsreserven mit dem Betrag an Bewertungsreserven vergleicht, die in der letzten Rückkaufswertmitteilung Ihnen gegenüber ausgewiesen worden sind.

Empfehlung

Lassen Sie Ihre Lebens- und Rentenversicherungen prüfen. Gerne helfe ich Ihnen in Ihrem Interesse dabei und zeige Ihnen Alternativen auf.

Wichtiger Hinweis: Bei dem verfassten Text handelt es sich um die Meinung des Autors. Er stellt weder eine Kauf- bzw. Verkaufsempfehlung oder eine Beratung dar. Beratungen können immer nur persönlich geschehen. Wenn Sie eine Beratung wünschen, nutzen Sie bitte eine der Kontaktmöglichkeiten.