Sparkassen nach Turbulenzen am Aktienmarkt in Not

Schlimmer als ein Hedgefonds, völlig am Auftrag vorbei, schwere Managementfehler – ein renommierter Frankfurter Finanzprofessor rechnet mit den Sparkassen ab. Was er schreibt, muss die Geldinstitute tatsächlich nachdenklich stimmen: Viele von ihnen stehen wegen der schlechten Entwicklung am Aktienmarkt massiv unter Druck.

Die scharfe Korrektur am Aktienmarkt droht einige deutsche Sparkassen in eine extreme Schieflage zu bringen. Zu diesem Ergebnis kommt der renommierte Finanzwissenschaftler Ralf Jasny, Professor von der Frankfurter Universität für angewandte Wissenschaft. In einer aktuellen mehr als 100-seitigen Studie hat Jasny zum Thema: „Was die Sparkassen mit ihren Kundengeldern machen?“ die Bilanzen der deutschen Sparkassen untersucht. Sein Befund ist alarmierend: Marktturbulenzen wie in diesen Wochen können bei einigen Sparkassen „nicht nur zur vollständigen Vernichtung der stillen Reserven in der Bilanz führen, sondern auch zur Notwenigkeit von Verlustausweisen bis hin zur Insolvenz“. Das ist auch schlecht für Städte und Gemeinden: Sie haben das Nachsehen, wenn die Sparkasse als Geldgeber ausfällt.

Jasny und sein Team sind tief eingestiegen in das Treiben der Sparkassen vor Ort und fördern beunruhigende Details zutage: So beträgt bei der ostdeutschen Sparkasse Spree-Neiße der Anteil der börsennotierten Wertpapiere und Schuldverschreibungen mit 2,6 Milliarden Euro knapp 60 Prozent der gesamten Bilanzsumme. Unter den 376 Sparkassen in Deutschland ist das Rekord – und in der aktuellen Situation, in der eine Hiobsbotschaft an der Börse die andere jagt, rekordgefährlich. Jasny errechnet für die Sparkasse ein Verlustpotential von knapp 400 Millionen Euro, was dem Sechseinhalbfachen des Jahresgewinns entspricht und die Hälfte des Eigenkapitals aufzehren würde.

Ein Crash könnte Sparkassen ernsthaft in Gefahr bringen

Auch die Kreissparkasse im ansonsten so sparsam-schwäbischen Biberach hat sich der Professor vorgeknöpft. Bei einer Bilanzsumme von knapp sechs Milliarden Euro verfügt sie über Aktien und nicht festverzinsliche Wertpapiere in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro. Der Anteil der Gewinne daraus beträgt etwa ein Drittel der gesamten Umsatzerlöse der Sparkasse. Bedingt durch den Börsenboom konnte die Kreissparkasse Biberach mit ihren Aktienanlagen über die Jahre stille Reserven von mehr als 300 Millionen Euro aufbauen und hat nach eigenen Angaben 4000 Kilo Gold in Schweizer Tresoren eingelagert. Kursrückgänge an den Aktien­märkten als Folge eines Crashs, können diese Sparkasse jedoch sehr schnell, sehr ernsthaft in Gefahr bringen, warnt der Finanzwissenschaftler.

Ein Szenario wie in der Finanzkrise 2007/2008 mit Einbrüchen am Aktienmarkt von 50 Prozent und mehr, würde die Sparkasse mehrere 100 Millionen Euro kosten. Das allerdings sei Geld, das der kommunale Träger einer Sparkasse gerade in der derzeitigen Wirtschaftskrise sicher für die Bewohner in seinem Ver­waltungsgebiet gut in der Gemeindearbeit einsetzen könnte. „Aber nicht nur das: Rückgänge aus den Kapitalmarktgeschäften können zu einem reduzierten Gewinnausweis führen, was für die Träger verminderte Gewerbesteuereinnahmen bedeutet“, schreibt Jasny und bezeichnet die offenbar gar nicht so sparsamen Schwaben aus Biberach als den „größten Hedgefonds“ unter den deutschen Sparkassen.

Sparkasse in Mitteldeutschland schießt den Vogel ab

Den Vogel schießt nach Berechnungen der Wissenschaftler der Uni Frankfurt eine Sparkasse in Mitteldeutschland ab, die mit nur einer guten Milliarde Euro Bilanzsumme zu den kleineren gehört. Den Namen möchte der Professor nicht nennen, um Kunden nicht zu verunsichern. Sie haben bei ihr rund 800 Millionen Euro als Guthaben hinterlegt. Knapp die Hälfte davon ist in Aktien und festverzinsliche Wertpapiere investiert. Das Eigenkapital der Sparkasse beläuft sich auf rund 110 Millionen Euro. „Kursverluste in Höhe von 25 Prozent aus der Position „Aktien und andere festverzinsliche Wertpapiere“ würden also unwiderruflich zur Pleite dieser Sparkasse führen. Die Wahr­scheinlichkeit, dass diese Sparkasse den nächsten Börsen-Schluckauf oder -Crash nicht überleben wird, ist damit als sehr hoch einzuschätzen“, schreibt Jasny.

Der Finanzwissenschaftler weiß auch, dass aufgrund der Verbundhaftung unter den Sparkassen und Landesbanken ein einzelnes Institut im Zweifelsfall von anderen aufgefangen wird und die Kundeneinlagen nicht in Gefahr sind. Dennoch hält er die Tendenz, die sich bei einigen Sparkassen abzeichnet, für krasse Fehlentwicklungen.

Wieso – das macht er in seiner Studie an mehreren Punkten deutlich: Erstens erfüllten jene Sparkassen, die sich vor allem im Wertpapiergeschäft tummelten, den im Sparkassengesetz festgehaltenen öffentlichen Auftrag nicht, der sie an sich verpflichtet, als Kreditinstitut in einer Region den Menschen dort zur Verfügung zu stehen. Zweitens fragt sich Jasny, welche Managementleistung eigentlich dahintersteckt, wenn eine Sparkasse und ihr in der Regel mit mehr als 300.000 Euro Jahresgehalt bedachter Vorstand das Geld der Kunden in von anderen gemanagten Fonds verpacke. Und drittens macht er darauf aufmerksam, dass das Gebaren einzelner Sparkassen zu erheblichen Gewerbesteuermindereinnahmen bei den Gemeinden, bei Verlusten sogar zu Gewerbesteuererstattungen führen kann. Dies könne für einzelne Gemeindehaushalte weitreichende Konsequenzen haben.

58 Sparkassen würden ohne den „Booster“ aus den Kapitalmarkterträgen überhaupt keinen Gewinn aus ihrer normalen Geschäftstätigkeit ziehen und wären operativ defizitär. Diese Aussage gilt für 15,4 Prozent aller Sparkassen und damit für jedes siebte Institut in Deutschland – eine Bestandsaufnahme, die angesichts der Turbulenzen auf den Kapitalmärkten unter den Sparkassen selbst für Unruhe sorgen dürfte.

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