Nein, das ist kein schönes Bild, das Chris Iggo in seiner Marktanalyse malt. Der Investmentchef für Kernanlagen bei Axa Investment Managers geht von einer Rezession aus und davon, dass Aktien und Anleihen das gnadenlos widerspiegeln. Doch wie weit geht es abwärts? Und welche Indikatoren zählen? Hier ist sein Bericht – nicht ganz ohne Fachchinesisch, aber informativ.

Das Rezessionsrisiko nimmt zu. Die Preise für risikobehaftete Vermögenswerte sind in der vergangenen Woche stark gefallen und nach den Äußerungen der Zentralbanker in Sintra ist klar, dass es keinen weißen Ritter gibt, der die Märkte stützt. Das Hauptaugenmerk der Notenbanker gilt der Inflation. Dass Anleger Geld verlieren, steht ganz unten auf ihrer Sorgenliste. Gleichzeitig gehen die Märkte bezüglich des Zinses und Inflation davon aus, dass die eingepreiste Straffung der Geldpolitik ausreichen wird, um die Inflation zu senken. Doch muss dies auf Kosten des Wachstums geschehen. In den aktuellen Wirtschaftsdaten ist dies noch nicht in großem Umfang zu erkennen, aber es besteht die Gefahr, dass sich das Wachstum schnell verlangsamt, die Unternehmensgewinne sinken und die Zahlungsausfälle zunehmen.

Eine Rezession ist keine gute Nachricht für die Unternehmen

Die Verluste an den Anleihe- und Aktienmärkten seit ihren Höchstständen im Jahr 2021 sind größtenteils auf die Anpassung der (tatsächlichen und erwarteten) Zinsen zurückzuführen. Jetzt geht es um die Auswirkungen auf die Cashflows und die Bewertung der Unternehmen. Der Rückgang bei globalen Anleihen ist der schlimmste seit den frühen 1970er Jahren, doch sind die Credit-Spreads nicht so groß wie früher. Das macht die Sache kompliziert. Die absoluten Erträge sind stark negativ, aber die relative Underperformance von Unternehmens- im Vergleich zu Staatsanleihen ist geringer als in früheren Credit-Bärenmärkten.

Der US-Hochzinsmarkt ist ein typisches Beispiel dafür. Der absolute Rückgang der Gesamterträge seit dem Höchststand des Marktes im Dezember beträgt etwa 13 Prozent. Seit Mitte der 1990er Jahre gab es zwei Phasen, in denen der Rückgang noch größer war – die globale Finanzkrise und die kurzzeitige liquiditätsbedingte Panik während des ersten Covid-Lockdowns. Der aktuelle Bärenmarkt ist schlimmer als 2002, 2012 und 2016.

Der Fahrplan

In den meisten Zyklen ist die relative Performance von Unternehmensanleihen jedoch schlechter als die absolute Wertentwicklung. Das heißt, Credit-Portfolios schneiden schlechter ab als Staatsanleiheportfolios. Das liegt daran, dass Baisse-Märkte bei Unternehmensanleihen in der Regel mit Rezessionen oder Phasen schwachen Bip-Wachstums einhergehen. Das Bonitätsrisiko steigt, wodurch sich die Credit-Spreads ausweiten und dann fallen die zugrunde liegenden Zinssätze als Reaktion auf die Wachstumsverlangsamung, was die Underperformance von Credits noch verstärkt.

Bislang ging es dieses Mal vor allem um steigende Zinsen. Die absolute Performance war also schlecht, aber die relative Wertentwicklung war bisher weniger schlecht (6,4 Prozent bei US-Hochzinsanleihen). Das Risiko ist, dass es noch schlimmer wird. Dies wäre mit einer Ausweitung der Credit-Spreads und einer Zunahme der Ausfälle und Herabstufungen verbunden. In den vergangenen Wochen hat sich die Underperformance bei Unternehmensanleihen beschleunigt und die Liquiditätsbedingungen an den Anleihemärkten haben sich verschlechtert. Dies könnte ein Vorbote eines langen, harten Sommers für Anleger in Unternehmensanleihen sein. 

Unternehmensanleihen und Aktien

Zuletzt haben wir uns positiver über die Zinsseite geäußert und da die Rezessionssorgen beginnen, die Anlegerstimmung zu dominieren, haben die Zinsmärkte in der vergangenen Woche eine starke Performance gezeigt. Im Credit-Bereich jedoch müssen wir das breitere Risikoumfeld berücksichtigen. Die Überrenditen von Unternehmensanleihen korrelieren positiv mit den Aktienrenditen. Fallen die Aktienmärkte weiter, werden sich die Credit-Spreads höchstwahrscheinlich weiter ausweiten.

Rückkehr zum Trend?

Wie schlimm kann es werden? Wir erwähnten bereits, dass die erste Phase des Aktienbärenmarktes eine Reaktion auf die Verschiebung der geldpolitischen Erwartungen von der Covid-Notlage zur Inflationsbekämpfung war. Jetzt geht es um die Gewinne.

Anhand von Daten über die Gewinne im S&P 500, die bis 1985 zurückreichen, haben wir den Ertragstrend in diesem Zeitraum geschätzt. Unter Verwendung einer logarithmischen Schätzung (die angesichts des in den vergangenen Jahrzehnten gestiegenen Anteils von Technologiewerten im Index einige der strukturellen Veränderungen beim Gewinnwachstum erfassen sollte) liegt das Niveau für den Trendertrag für den S&P bei etwa 190 Dollar pro Aktie. Im vergangenen Quartal betrug der Gewinn pro Aktie (EPS) laut Bloomberg 200 Dollar. Eine Rückkehr zum Trendertrag (der in der Regel bei einer Konjunkturabschwächung eintritt) würde einen Gewinnrückgang von 5 Prozent bedeuten (und nicht den Bottom-up-Konsens von 10 Prozent für das EPS-Wachstum in den kommenden zwölf Monaten).

Unterdurchschnittliche Bewertung

Die Bewertungen an den Aktienmärkten haben sich stark angepasst, aber die USA haben den langfristigen Durchschnitt von 17,5x noch nicht erreicht. Ein EPS-Niveau von 190 Dollar bedeutet bei diesem Multiplikator einen Indexstand von 3.325 Punkten (elf Prozent niedriger als bei der Erstellung dieses Kommentars). Es könnte aber noch weiter runter gehen – man denke nur daran, wie die Märkte reagieren würden, wenn Russland die Gaslieferungen nach Deutschland vollständig stoppt. Wenn das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf eine Standardabweichung vom Durchschnitt fallen würde, wäre das eine Bewertung des 14fachen und bezogen auf den Trendgewinn ein implizites Niveau für den S&P 500 von 2.660 Punkten.

Seien Sie vorbereitet

All dies ist keine Vorhersage oder gar eine Erwartung. Es handelt sich lediglich um eine Überlegung, was passieren könnte, wenn die Weltwirtschaft in die Rezession abrutscht. Sie steht auch im Einklang mit der radikaleren Ansicht, dass sich die Welt rasch von den Disinflationsängsten der vergangenen 20 Jahre entfernt. Covid hat die Bewertungen von Vermögenswerten mit langer Duration in extreme Höhe getrieben. Jetzt passen sie sich an eine Welt an, in der mehr Unsicherheit herrscht und die Inflation mittelfristig wahrscheinlich über 2 Prozent liegen wird.

Dies bedeutet, dass eine große Lücke zwischen dem jüngsten EPS-Niveau und dem geschätzten EPS-Trend besteht. Hinzu kommt, dass die Prognosen nur geringfügig nach unten korrigiert wurden. Der Abstand zwischen den aktuellen Credit-Spreads und den früheren Höchstständen ist ebenfalls groß, selbst wenn man die GFC und Covid außer Acht lässt. Angesichts des Betas zwischen den beiden würde ein weiterer Rückgang bei Aktien um 10 Prozent die Gesamtrendite bei Hochzinsanleihen um etwa 5 Prozent verringern. Sieht man vom Carry ab, könnte dies zu einer weiteren Ausweitung der Spreads um 100 Basispunkte führen.

Das alles bezieht sich hauptsächlich auf die USA, aber die Themen sind in den meisten Industrieländern die gleichen, auch wenn die Ausgangsbewertung unterschiedlich ist. In Europa kommen zu den globalen Inflationsrisiken noch geopolitische Risiken und strukturelle Schwächen in der Währungsunion hinzu. Selbst wenn europäische Aktien im Vergleich zu den USA billiger sind, besteht also immer noch ein Abwärtsrisiko, und die Gefahr von Zahlungsausfällen in Europa könnte zunehmen, wenn die Unternehmen gezwungen sind, ihren Energieverbrauch drastisch zu senken. Weniger Energie bedeutet weniger Produktion und das bedeutet weniger Einnahmen.

Gewisse Erleichterung auf der Zinsseite

In den kommenden Quartalen ist mit einem sequenziellen Rückgang der ausgewiesenen Gewinne zu rechnen. Das Risiko besteht darin, dass sie auf – oder sogar unter – den geschätzten langfristigen Trend fallen und sich die Multiplikatoren noch weiter nach unten anpassen, weil die Aktienrisikoprämie steigt. Die gute Nachricht ist, dass sich die Zinsen stabilisieren sollten – nicht unbedingt, weil die Inflation zurückgeht, sondern weil die Märkte davon ausgehen, dass die Zentralbanken letztendlich mehr auf Wachstum und Stabilität achten als auf eine schnelle Rückkehr der Inflation auf 2 Prozent. Dies gilt umso mehr, wenn ein Großteil der Inflation etwas ist, wogegen sie nichts tun können.

Unsere Einschätzung, dass Staatsanleihen Anfang Juni die Talsohle erreicht hatten, bleibt bestehen, und in dieser Woche sind die Renditen und die Break-even-Inflationsraten weiter gesunken. Dies dürfte weitere absolute Verluste an den Anleihemärkten begrenzen, bei Unternehmensanleihen jedoch dürfte die relative Wertentwicklung noch eine Weile negativ sein.

Aber selbst an den Credit-Märkten gibt es positive Aspekte: Die durchschnittlichen Anleihekurse sind sehr niedrig und der Carry hat sich verbessert. Anleihen werden zum oder nahe dem Nennwert zurückgezahlt oder gekündigt. Wenn sie heute bei 90 Cent stehen, ist das eine gesunde Rendite. Wie wir kürzlich feststellten, werden neu emittierte Anleihen (von denen es einige geben wird) attraktivere Kupons haben und für Anleger eine Einkommensquelle darstellen.

Anhaltendes Risiko, bis es gute Nachrichten gibt

Bärenmärkte brauchen in der Regel einen Katalysator, damit die Stimmung dreht. Ein solcher ist im Moment schwer zu erkennen. Es herrscht Enttäuschung, dass die Inflation ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat, weshalb die Notenbanken ihre aggressive Rhetorik aufrechterhalten. Die Lage in der Ukraine scheint sich möglicherweise zu verschlechtern, da die Nato als Reaktion auf die Gräueltaten von Putins Streitkräften eine stärkere Haltung einnimmt. Solange sich diese Situation nicht ändert, wird das negative Sentiment überwiegen. Wir versuchen zwar immer, optimistisch zu sein, aber die Realität sieht so aus, dass nur die Bewertungen den Anlegern im Moment ein Gefühl der Beruhigung vermitteln, und bevor sich der Inflations-/Zins-/Wachstumsschock nicht vollständig entladen hat, sollten wir auf das Risiko größerer Verluste vorbereitet sein.