Korrekturen bei den Pandemie-Gewinnern
Die Börsen haben uns in den letzten knapp zwei Jahren (seit April 2020) fast ausschließlich steigende Kurse beschert. Nennenswerte Rücksetzer gab es keine, vor allem der amerikanische Markt – der größte und wichtigste Aktienmarkt der Welt – konnte sich überdurchschnittlich gut entwickeln. Auch unsere Portfolios haben (inklusive der Pandemie) beeindruckende Renditen erzielt.
Wie auch schon in unserem Jahreskommentar erwähnt, verläuft die Wertentwicklung von Börsenindizes und Wertpapier-Portfolios jedoch niemals gleichmäßig. Gute und schlechte Phasen wechseln sich in praktisch nicht vorhersehbarer Folge und Dauer voneinander ab.
Nach dieser langen positiven Phase befinden wir uns nun in einer vorübergehend schlechteren Phase. Wie lange diese dauern wird und wann ein Phasenwechsel kommt, lässt sich nicht bestimmen und weiß man immer erst im Nachhinein. Klar ist aber: negative Phasen sind in der Regel von kürzerer Dauer als positive, werden aber psychologisch bedingt viel heftiger und schmerzhafter wahrgenommen.
Versuchen Sie nicht schlauer zu sein als die Masse
Vor allem in diesen Phasen ist es essenziell, Ruhe zu bewahren und Standfestigkeit zu zeigen. In Kurzschlussreaktionen wird in der Regel deutlich mehr kaputt gemacht als gewonnen. Wir raten in diesem Zusammenhang auch explizit davon ab, mittels taktischer Vermögensallokation, sprich durch Aktienverkäufe mit geplanten späteren Rückkäufen zu niedrigeren Kursen, zu versuchen aus so einer Phase Profit zu schlagen oder auch zu versuchen das Vermögen vorübergehend in Sicherheit zu bringen. Hier ist man selten schlauer als der Rest der Anleger – den Gedankengang hat die breite Masse der Marktteilnehmer in der Regel zur gleichen Zeit und somit agiert man prozyklisch genau zum falschen Zeitpunkt.
Der Versuch, taktisch „klug“ zu agieren, endet in den meisten Fällen endgültig in einem gravierenden Renditeverlust. Das Schlaueste, was Sie in dieser Situation tun können, ist Geduld zu bewahren. Wir wollen Ihnen helfen, einen kühlen Kopf zu bewahren und Ihnen anhand einiger Daten nochmals aufzeigen, wie normal schlechtere Phasen bzw. Rücksetzer am Kapitalmarkt sind.
Unterjährige Rücksetzer sind völlig normal
In den letzten 42 Jahren fielen die Kurse des S&P 500 innerhalb eines Jahres im Durchschnitt um -14%. In 32 der 42 Jahren endete das Börsenjahr aber trotz dieser Rücksetzer positiv. Der Index schaffte im Schnitt ein jährliches Wachstum von 9,4% bzw. insgesamt rund 4‘350%.
In der nachfolgenden Grafik symbolisieren die roten Punkte die unterjährigen Zwischentiefs, während die Balken im positiven Bereich die Jahresendperformance darstellen.
Quelle: Guides to the Markets, JP Morgan. Datenstand. 31.12.2021.
Für Rücksetzer gibt es die unterschiedlichsten Gründe, manche sind besser, manche schlechter bzw. mehr oder weniger gerechtfertigt. Alle Rücksetzer haben eines gemeinsam: sie sind mit den Sorgen der Anleger verbunden. Je nach Stärke der Rücksetzer wandeln sich diese Sorgen, bis irgendwann nur noch die pure Angst vor weiteren Kursstürzen im Vordergrund steht, und der ursprüngliche Grund weit in den Hintergrund gerückt ist. Rücksetzer dieser Art sind eher von kurzer Dauer, da sie nicht im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Krise oder dem Platzen einer Blase stehen.
Die aktuellen Sorgen der Marktteilnehmer drehen sich aus unserer Sicht hauptsächlich um mögliche negative Auswirkungen von steigenden Zinsen, der Rücknahme der monetären Maßnahmen der Zentralbanken, sowie einer angestiegenen Inflationsrate, wandeln sich zunehmend aber auch rein in die Angst vor fallenden Kursen. Wir betrachten diese Themen insgesamt relativ gelassen und sehen uns weder mit schwierigen neuen Fragen oder grundlegend geänderten fundamentalen Entwicklungen konfrontiert (wie es beispielsweise im März 2020 noch der Fall war).
Pandemie Gewinner korrigieren aktuell
Die größte Schwankung zeichnet sich derzeit vor allem bei Unternehmen ab, deren Geschäftsmodelle von der Digitalisierung vorangetrieben werden. Die Pandemie hat diesen Unternehmen fundamental enormen Rückenwind verliehen. In den letzten zwei Jahren floss Kapital in überproportionalem Ausmaß zu diesen offensichtlichen Gewinnern. Auf fundamentale Bewertungen wurde dabei vom Markt kaum Rücksicht genommen. Dieser Trend kehrt sich seit Oktober 2021 um und nimmt mittlerweile panikartige Zustände an. Analog zur Euphorie am Weg nach oben wird auch nun in der Korrekturphase nur bedingt hinsichtlich Qualität und langfristigen Möglichkeiten der betroffenen Unternehmen unterschieden.
Da wir in unseren Portfolios aber durchaus einige Unternehmen haben, die man zu den Gewinnern der Pandemie zählen kann, sind wir von dem derzeitigen Rücksetzer nicht verschont, sondern vorübergehend zum Teil stärker betroffen als so mancher Index. Unsere Unternehmen halten wir aber im Vergleich zu ihrem langfristigen Potenzial und verglichen mit anderen Unternehmen aus diesem Bereich für sehr attraktiv bewertet.
Wir rechnen damit, dass im Verlauf des Jahres die fundamentalen Ergebnisse der Unternehmen wieder in den Vordergrund rücken. Wir sehen uns für diese Phase bestens positioniert. An unseren langfristigen Erwartungen für die Unternehmen hat sich in den letzten Tagen und Wochen nichts geändert, wir antizipieren bei unseren Unternehmen ein langfristig unverändertes Wertsteigerungspotenzial, auch wenn die Aktienkurse teilweise ein komplett konträres Bild zeichnen. Bei fallenden Kursen steigen unsere Renditeerwartungen über die Dauer unseres Anlagehorizontes.
Ignorieren Sie die «Finanzpropheten»
Sollte es vorübergehend noch schlimmer kommen, werden die Hiobsbotschaften von selbsternannten Finanzpropheten mit düsteren Vorhersagen, wie in allen Phasen mit fallenden Aktienkursen, dramatisch zulegen und die Sorgen und Angst der Anleger zusätzlich schüren. Ihre allgemeine Glaubwürdigkeit bleibt dabei jedoch unverändert niedrig. Sie finden in solchen Phasen nur leider deutlich mehr Gehör als sonst.
Anleger, welche dem Ruf folgen, werden eventuell zwar von kurzfristigem Leid weiterer Verluste befreit, der Preis dafür ist aber oft extrem hoch, denn in der Regel versäumen sie es, rechtzeitig wieder in Aktien zu investieren und lassen langfristig deutlich mehr entgangene Gewinne auf der Strecke.
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