Deutsche Bank streicht hauseigene Studie

In einer Studie stellt die Research-Abteilung der Deutschen Bank dem Finanzplatz Deutschland ein „absolutes Armutszeugnis“ aus. Dem Geldhaus ist die Kritik jedoch zu hart: Die Bank distanziert sich öffentlich.

Es kann gut und gerne als ungewöhnlich bezeichnet werden, wenn eine Bank die Studie eines hauseigenen Think Tanks kassiert. Beim größten deutschen Geldhaus ist das nun der Fall: Die mit scharfer Kritik an Politik und Aufsicht gespickte Analyse „Reformagenda für den Finanzplatz Deutschland. Viel Luft nach oben, dringender Handlungsbedarf“ von Deutsche Bank Research, die der dpa vorliegt und aus der auch die „Börsen-Zeitung“ zitiert, ging der Konzernmutter wohl zu weit. Sie strich sie kurz nach Veröffentlichung wieder von der Webseite.

Die Studie war offenbar nicht autorisiert

Die Experten der Abteilung beschreiben darin den Zustand des Finanzplatzes Deutschland als miserabel. Die „Liste der Defizite und Fehlschläge“ sei sehr lang, so das Fazit des Autors. „Für die insgesamt viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ist das ein absolutes Armutszeugnis. Genauso wie die faktische Verweigerung der Entscheidungsträger in der Politik, das Siechtum des Finanzplatzes überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und ihm kraftvolle, entschiedene Maßnahmen entgegenzusetzen.“ Kein einziges größeres Land auf der Welt habe seine Bankenbranche derart vernachlässigt und ihrer Verzwergung tatenlos zugesehen wie Deutschland, heißt es in der Ausarbeitung.

Die Deutsche Bank distanzierte sich von der Kritik. Die von Deutsche Bank Research am Dienstag veröffentlichte Studie spiegele „Ansichten des Autors wider“, erklärte ein Sprecher des Geldhauses heute in Frankfurt schriftlich. „Diese werden weder von der Deutschen Bank geteilt, noch wurden sie von der Führung von Deutsche Bank Research autorisiert“, teilte er mit. Insbesondere distanzierten sich die Deutsche Bank und Deutsche Bank Research von der „in Inhalt und Form unangemessenen Kritik“ an Aufsichtsbehörden und politischen Entscheidungsträgern, die in der Studie zum Ausdruck komme.

Heftige Kritik auch an der BaFin

In der 20-seitigen Ausarbeitung übt der Autor unter anderem auch deutliche Kritik an der Finanzaufsicht BaFin: „Es gibt wohl – leider – kaum eine Finanzaufsicht in den Industrieländern weltweit, unter deren Augen in den letzten 15 Jahren derart viele Finanzskandale stattgefunden haben und bei denen die Finanzaufsicht insgesamt ein so schlechtes, ja teilweise dysfunktionales Bild abgegeben hat, wie die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).“

Weiter heißt es: „Die Erfahrungen der letzten Jahre waren für Deutschland schlichtweg peinlich, die hiesige Finanzaufsicht dürfte sowohl bei ihren internationalen Pendants als auch bei den Finanzinstituten einen gravierenden Imageverlust erlitten haben und teilweise kaum noch ernst genommen werden.“

Die Neuausrichtung der BaFin nach dem Wirecard-Skandal sei „tatsächlich mehr als überfällig“ gewesen, schreibt der Autor. Lange scheine „die Resistenz gegen offensichtlich notwendige, dringend gebotene Veränderungen (…) innerhalb der Institutionen, einschließlich Finanzministerium und Bundestag, zu dominant (…) gewesen zu sein“, lautet sein Urteil.

Finanzplatz „im Dornröschenschlaf“

Insgesamt verharrt der Finanzplatz Deutschland dem Autoren zufolge „seit vielen Jahren strukturell im Dornröschenschlaf.“ Im internationalen Vergleich sei der hiesige Finanzplatz in den vergangenen Jahren „dramatisch zurückgefallen“. Das gelte für den gesamten Finanzsektor, aber vor allem für die Bankenbranche. „Sie ist chronisch wachstumsschwach, strukturell sklerotisch, außerordentlich wenig profitabel und viel zu ineffizient“, heißt es.

Zu der Frage, wer die Studie autorisiert hat, wollte sich die Deutsche Bank nicht äußern. Geleitet wird DB Research von David Folkerts-Landau, dem Chefvolkswirt der Bank.