Der Markt erwartet anziehende Inflation, und trotzdem bleibt der Goldpreis flach? Das passt gar nicht zusammen. Adrian Ash, Direktor der Analyse bei Bullionvault, löst den scheinbaren Widerspruch auf und blickt in die Zukunft.

Seit einem Jahr versetzt die Pandemie die Welt in einen Ausnahmezustand. So verleitete die Krisensituation letztes Jahr viele Anleger dazu, in den „sicheren Hafen“ Gold zu investieren. Für deutsche Investoren war der Preis des Edelmetalls um 25 Prozent auf neue Rekordhöhen gestiegen. Da das Ende der Pandemie – mit dem ein deutlicher Aufschwung der Wirtschaft erwartet wird – noch auf sich warten lässt, ist der Goldpreis gefallen und hat alle Gewinne des Jahres 2020 sowohl für Euro- als auch für US-Dollar-Investoren ausradiert.

Woher kommt das?

Der Rückgang des Goldpreises ist merkwürdigerweise auf steigende Inflationsprognosen zurückzuführen, ausgelöst durch die prognostizierte wirtschaftliche Erholung. Um die Auswirkungen der Inflation auf ihre Portfolios zu verringern, haben einige Vermögensverwalter aus festverzinslichen Anleihen zurückgezogen, was deren Preis nach unten und damit die Renditen nach oben getrieben hat. Gleichzeitig „rotieren“ andere Manager aus den Gewinneranlagen des letzten Jahres und setzen auf ein stärkeres Wachstum von Risikoanlagen wie Industrierohstoffe und Aktien.

Entscheidend für den Goldpreis ist, ob die Zinsen schneller steigen oder fallen als die Veränderungen der Lebenshaltungskosten. Zwar sind die Realzinsen – nach Berücksichtigung der Inflation – weltweit immer noch deutlich negativ, was bedeutet, dass das Bargeld auf der Bank überall an Wert verliert. Aber die Rendite von Bundesanleihen und anderen Staatsanleihen ist jetzt weniger negativ als zu den Rekordtiefs des letzten Jahres. Und es ist die Richtung, in die sich der Goldpreis bewegt, und nicht die absolute Höhe der Realzinsen.

Was die Corona-Krise Gold- und Silberanleger lehrt

Diese Beziehung hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt: Während des halben Jahrzehnts von 2011 bis 2016 bewegte sich der Goldpreis in US-Dollar in 34 von 60 Monaten in die entgegengesetzte Richtung zu den zehnjährigen TIPS-Renditen, also in etwa 57 Prozent der Zeit. Im letzten halben Jahrzehnt hingegen hat sich der Goldpreis in 50 von 60 Monaten, also in etwa 83 Prozent der Zeit, in die entgegengesetzte Richtung zu den realen US-Anleiherenditen entwickelt. Das bedeutet, dass die Verbindung zwischen dem Goldpreis und der Bewegungsrichtung der realen Zinssätze viel stärker geworden ist.

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