Die Deutschen haben urplötzlich Aktien, Fonds und ETFs für sich entdeckt. Ob sie sich wieder einmal bloß das schnelle Geld erhoffen oder langfristig Vermögen aufbauen wollen, ist noch nicht ausgemacht.

Es ist kaum zu glauben: Im Land der notorischen  Börsenmuffel steigt die Zahl der Aktionäre und Fondsbesitzer plötzlich deutlich an. Insbesondere jüngere deutsche Anleger wagen sich an die Börse. Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) stieg 2020 die Zahl der Aktionäre insgesamt um 28 Prozent, von 9,7 auf 12,4 Millionen. In der Altersgruppe der 14- bis 29-jährigen betrug der Zuwachs sogar 67 Prozent.

Die Experten des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch (FvS) sind sich noch nicht ganz sicher, welche Motivation hinter der gewöhnungsbedürftigen Anlagefreude der sonst so sparbuchverliebten Deutschen steckt. „Ist es wirklich der Nullzins und die Erkenntnis, dass sich daran so bald nichts ändern wird? Oder der Traum vom schnellen Geld?“, fragen sich die Anlageexperten. Den gab es schon mal, um die Jahrtausendwende: „Reich werden über Nacht – es klang und klingt so verlockend. Und es ist die völlig falsche Herangehensweise“, so die FvS-Fachleute.

Wünschenswert wäre ihrer Ansicht nach ersteres Szenario, das mit einem langfristigen Anlageansatz einhergeht. Der wäre „ein Segen für die Aktienkultur in Deutschland“. Um die ist es bekanntermaßen schlecht bestellt. Die Gründe: „Weil die Perspektive auf Aktien hierzulande eine andere ist, zumindest lange Zeit war; weil Aktien in der Wahrnehmung vieler Menschen mehr Lottoschein sind als Geldanlage – ein Glücksspiel. Der Aktionär als Glücksritter, spätestens seit der Jahrtausendwende, dem Zusammenbruch des Neuen Marktes, hat er dieses Etikett anheften.“ Sinnvoll Geld anzulegen sei nun mal ein Marathon, kein Sprint. Anleger sollten nicht in Tagen, Wochen oder Monaten denken, sondern in Jahren. Das entspricht allerdings nicht ganz dem Trend, der sich an den Börsen abzeichnet. Laut dem Finanzportal Blockbuilders.de zeigen Daten des globalen Börsenverbands Federation of Exchanges, dass die durchschnittliche Haltedauer von Aktien seit 1980 um 92 Prozent gesunken ist.

Langfristig denken

Waren es damals noch fast zehn Jahre, halten Aktionäre ihre Titel heutzutage im Schnitt nicht einmal mehr ein Jahr lang. Diesen Trend sollten Neu-Aktionäre nicht fortschreiben, raten die FvS-Experten. Stattdessen sollten sie langfristig denken, wie Unternehmer: „Andernfalls wäre der Aktienhype kein Segen für die Aktienkultur, sondern eher unheimlich“.